Die für Samstag, 11. Mai 2024 in Offenburg als „Straßenbaumfest“ angemeldete Versammlung darf mit dem vom Anmelder vorgesehenen Programm auf der Weingartenstraße stattfinden. Das hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 8. Mai 2024 entschieden (Az. 4 K 1969/24).
Die Stadt Offenburg hatte für die im Straßenabschnitt zwischen Hilda- und Moltkestraße angemeldete Veranstaltung am 2. Mai 2024 mehrere Auflagen erlassen. Darin beschränkte sie das Programm auf Redebeiträge, Workshops sowie Infostände und untersagte darüberhinausgehende geplante Elemente wie Picknick, einen Skate- und Mountainbike-Parcours, Stadtbaum-Führungen, Straßenkreide und Musik. Außerdem verfügte sie, die Versammlung dürfe nur auf dem Gehweg, dem Fahrradweg und freien Parkflächen auf der nördlichen Straßenseite der Weingartenstraße stattfinden. Die Nutzung der Fahrbahn sei verboten. Die Veranstaltung ende um 19:30 Uhr. Dem hiergegen gerichteten Eilantrag des Versammlungsanmelders hat das Verwaltungsgericht Freiburg stattgegeben.
Zur Begründung führte das Gericht aus, die Beschränkung des Programms auf Redebeiträge, Workshops und Infostände sei voraussichtlich rechtswidrig. Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit erfasse nicht nur Zusammenkünfte traditioneller Art, sondern vielfältige Arten gemeinsamen Verhaltens, wenn Menschen zusammenkämen, um sich an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen. Enthalte eine Veranstaltung einerseits Elemente, die sich auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung richteten, andererseits solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen seien, komme es darauf an, ob eine in dieser Weise „gemischte“ Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstelle. In diesem Fall umfasse die Versammlungsfreiheit auch die Elemente, die nicht unmittelbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet seien.
Es sei nicht feststellbar, dass bei dem als Versammlung angemeldeten „Straßenbaumfest“ Elemente mit reinem Vergnügungscharakter überwögen. Auch wenn die Veranstaltung als „Fest“ bezeichnet sei, stünden im Programmheft versammlungstypische Aktivitäten wie die geplanten Redebeiträge und die themenbezogenen Workshops im Vordergrund. Es sei davon auszugehen, dass die Veranstaltung von Besuchern nicht in erster Linie als auf Vergnügung ausgerichtetes Fest wahrgenommen werde. Zudem könne den von der Stadt Offenburg als „Begleitprogramm“ angesehenen Veranstaltungselementen der Bezug zur öffentlichen Meinungskundgabe voraussichtlich nicht vollständig abgesprochen werden. Denn es komme dem Versammlungsanmelder nach eigener Darstellung gerade darauf an, alternative Nutzungsmöglichkeiten des ansonsten vor allem durch den Kraftfahrzeugverkehr genutzten öffentlichen Straßenraums aufzuzeigen.
Die örtliche Beschränkung der Versammlung auf den nördlich der Weingartenstraße gelegenen Fußgänger- und Radweg sowie freie Parkplätze sei aller Voraussicht nach ebenfalls rechtswidrig. Die Versammlungsfreiheit schütze auch das Selbstbestimmungsrecht über den Ort der Versammlung. Verkehrsbeeinträchtigungen durch Versammlungen seien regelmäßig hinzunehmen. Es sei insbesondere weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, warum eine Umleitung des Verkehrs für die Dauer der Versammlung nicht möglich sein sollte. Demgegenüber habe der Versammlungsanmelder einen besonderen Ortsbezug zum gewählten Straßenabschnitt dargelegt. Er habe ausgeführt, dieser Bereich solle als Zentrum der Oststadt in eine verkehrsberuhigte Zone, einen „Shared Space“ oder ähnliches Konzept umgestaltet werden. Ein weiteres Ziel sei der Erhalt des ebendort befindlichen alten Baumbestands. Für das Gericht liege auf der Hand, dass die geplante Veranstaltung aufgrund ihrer Größe mit 300 angekündigten Teilnehmer nicht ohne Nutzung der Straße durchgeführt werden könnte. Unter anderem für den Fall, dass sich im Hinblick auf eine geringe Teilnehmerzahl der (erhebliche) Umfang der Inanspruchnahme der Straße durch die Versammlung gegenüber Rechten Dritter als unverhältnismäßig erweisen sollte, könne eine Beschränkung auf einen Teil der Straße von der Versammlungsbehörde noch an Ort und Stelle angeordnet werden.
Die Stadt Offenburg habe die Versammlung aller Voraussicht nach auch zu Unrecht auf den Zeitraum bis 19:30 Uhr begrenzt. Gemäß dem Programmheft ende die Versammlung nach der auf 19:00 Uhr angesetzten Abschlusskundgebung um 20:30 Uhr. Gründe, die ein Ende der Versammlung entgegen der Planungen des Anmelders um 19:30 Uhr notwendig erscheinen ließen, seien weder von der Stadt benannt worden noch sonst ersichtlich.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Stadt Offenburg kann Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.