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Urteil zur Korrekturpraxis bei Abiturprüfungen

Datum: 11.03.2014

Kurzbeschreibung: PM vom 11.03.2014

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat entschieden, dass sich der Endkorrektor einer Abiturarbeit über die Bewertung des Erst- und Zweitkorrektors nur hinwegsetzen darf, wenn diese Bewertung rechtswidrig war. Hingegen gibt es keine rechtliche Grundlage für die langjährige Prüfungspraxis der Schulaufsichtsbehörde, die den Endkorrektor zu einer von der Vorkorretur unabhängigen eigenen Neubewertung schon dann ermächtigte, wenn er aufgrund von Stichproben den Eindruck hatte, dass die Bewertungen der beiden Vorprüfer „nicht angemessen“ waren. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht vor kurzem der Klage eines ehemaligen Schülers einer Waldorfschule gegen die Bewertung seiner Deutscharbeit in der Abiturprüfung vom  Frühjahr 2012 stattgegeben (Urteil vom 29.01.2014 - 2 K 1145/13).  Die Fachlehrerin hatte die Arbeit mit 9 Punkten bewertet, die Zweitkorrektorin mit acht Punkten. Der Endkorrektor hingegen hatte die Arbeit  mit endgültig 4 Punkten bewertet, nachdem ihn das Regierungspräsidium Freiburg als obere Schulaufsichtbehörde mit der Endbeurteilung der Arbeiten des gesamten Deutschkurses des Klägers beauftragt hatte.

 

Zur Begründung führte das Gericht aus, der Kläger habe Anspruch auf eine Bewertung seiner schriftlichen Prüfungsarbeit im Fach Deutsch mit neun (statt mit bislang vier) Punkten, wodurch sich die Durchschnittsnote in der Abiturprüfung wohl von 1,7 auf 1,6 verbessern werde. Der Endkorrektor sei nicht ermächtigt gewesen, die Arbeit des Klägers selbständig zu bewerten. Nach der auch im Fall des Klägers maßgeblichen Abiturverordnung Gymnasien der Normalform - NGVO - werde jede schriftliche Arbeit in der Abiturprüfung von der Fachlehrkraft des Schülers und von einer Fachlehrkraft eines anderen von der Schulaufsichtsbehörde bestimmten Gymnasiums korrigiert und bewertet. Wichen die Bewertungen um einen Punkt voneinander ab, gelte grundsätzlich die höhere Punktzahl. Die Möglichkeit der Überprüfung und eigenständigen Notenfestsetzung durch einen Endkorrektor sehe die Abiturverordnung nur vor, wenn eine der beiden Vorkorrekturen einen rechtlich erheblichen Fehler aufweise. Das sei etwa der Fall, wenn  eine vertretbare Lösung als falsch bewertet worden sei, wenn der Prüfer bei seiner Bewertung von falschen Tatsachen ausgegangen sei, wenn er ihr sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt habe oder aber wenn er objektiv festgelegte Bewertungsmaßstäbe (z.B. eine vorgegebene Punkteverteilung zu einzelnen Aufgaben) nicht beachtet habe. Ein solcher festgestellter Korrekturfehler des Vorprüfers müsse zudem für seine Bewertung im Ergebnis erheblich gewesen sein. Weise die Bewertung hingegen keinen Fehler auf, der ihre Rechtswidrigkeit zur Folge habe, sondern komme der Endkorrektor allein zu dem Ergebnis, dass diese aus seiner Sicht „nicht (mehr) angemessen“ sei, könne die Bindungswirkung der Ergebnisse der Erst- und der Zweitkorrektur für die Ermittlung der Endnote nicht entfallen.

 

Die darüber hinausgehende „Arbeitsanweisung des Regierungspräsidiums Freiburg für die Endbeurteilung“, die eine Neubewertung durch den Endkorrektor schon für den Fall vorsehe, dass aufgrund von Stichproben die „Punkteverteilung des Erst- und Zweitkorrektors nicht akzeptiert werden kann“, könne hingegen als rein verwaltungsinterne Vorschrift die Regelungen der Abiturverordnung (NGVO) ebenso wenig abändern oder ersetzen wie die entsprechenden Arbeitsanweisungen der übrigen Regierungspräsidien. Zudem knüpfe sie die Verpflichtung zur Nachkorrektur an die subjektiv wertende Überprüfung von Stichproben und führe damit zu zufälligen Ergebnissen. Schließlich seien die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Nachkorrektur in den jeweiligen Arbeitsanweisungen der vier Regierungspräsidien im Land so unterschiedlich gefasst, dass nicht einmal eine landeseinheitliche Praxis der Nachkorrektur sichergestellt sei.

 

Im Fall des Klägers sei weder seiner Fachlehrerin noch der Zweitkorrektorin ein rechtlich relevanter Beurteilungsfehler unterlaufen. Daher sei der Endbeurteiler rechtlich daran gehindert gewesen, bei der Ermittlung der Endnote eine eigenständige Bewertung der Leistung vorzunehmen.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das beklagte Land Baden-Württemberg kann innerhalb eines Monats Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.

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