Die Äußerung des Freiburger Oberbürgermeisters in einer Gemeinderatssitzung am 26.05.2020, mit der er gegenüber einem Stadtrat in Erwiderung auf dessen Redebeitrag äußerte „Das ist schade, dass Sie das nicht verstehen, aber vielleicht hängt das auch am eingeschränkten Demokratieverständnis.“, hielt sich in den von den Mitgliedern des Gemeinderats einzuhaltenden Grenzen einer kommunalpolitischen Debatte. Dies entschied das Verwaltungsgericht Freiburg mit dem auf die mündliche Verhandlung am 25.03.2021 gefassten und den Beteiligten nun zugestellten Urteil (4 K 3145/20).
Die Äußerung des Oberbürgermeisters erfolgte im Anschluss an einen Redebeitrag des Stadtrats, der darin mit scharfen Worten die Absetzung des Tagesordnungspunkts 6 forderte, welcher sich unter anderem mit der Neubesetzung gemeinderätlicher Ausschüsse und Gremien befasste. Der Stadtrat (im Folgenden: Kläger) bildet mit einem weiteren Stadtrat im Gemeinderat die Gruppierung „Alternative für Deutschland (AfD)“. Am 01.10.2020 erhob er beim Verwaltungsrecht Freiburg Klage mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerung des Oberbürgermeisters. Diese Klage wies das Gericht im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:
Der Oberbürgermeister habe die mit der Klage angegriffene Äußerung nicht als Sitzungsleiter, sondern unter Wahrnehmung seines Rederechts als Mitglied des Gemeinderats getätigt. Bei der Wahrnehmung seines Rederechts unterliege er denselben rechtlichen Grenzen wie alle anderen Gemeinderäte. Diese Grenzen habe er eingehalten.
Ratsmitglieder hätten solche Äußerungen zu unterlassen, die den ordnungsgemäßen Sitzungsablauf störten. Dies sei bei Äußerungen der Fall, die den Tatbestand der „groben Ungebühr“ erfüllten und dabei etwa als „Formalbeleidigung“ oder Schmähkritik zu qualifizieren seien. Dabei seien strenge Maßstäbe anzulegen. Denn der Widerstreit der unterschiedlichen Positionen im Gemeinderat lebe nicht zuletzt von Debatten, die mit Stilmitteln wie Überspitzung, Polarisierung, Vereinfachung oder Polemik geführt würden.
Die Äußerung des Oberbürgermeisters sei nicht grob ungebührlich gewesen. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass er mit der Äußerung auf den Redebeitrag des Klägers reagiert habe, in dem dieser die geplante Neubesetzung von Ausschüssen und Gremien mit scharfen Worten kritisiert habe. Wortwahl und Inhalt des Redebeitrages hätten den Eindruck erwecken können, dass der Fraktionswechsel zweier Ratsmitglieder und die hierdurch notwendig gewordene personelle Neubesetzung bestimmter Gremien und Ausschüsse „unlauter“ bzw. mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar sei („… jetzt sollen wegen eines Stühlchen-Wechsel-Spiels ausgerechnet DIE GRÜNEN einen unangemessenen Zugewinn an Ausschussposten bekommen “; „Sie erklären mir, warum das gerecht ist und der Bürger auf der Straße sich nicht verarscht vorkommen soll, wenn wir hier solche Spielchen treiben“; „Weil Frau Kollegin … ihre Wähler verschaukelt, …“). Der Oberbürgermeister habe ersichtlich einen Streit um die Anwendung „demokratischer Spielregeln“ zum Anlass für die beanstandete Formulierung genommen. Von einer gezielten Diskreditierung ohne Auseinandersetzung in der Sache könne keine Rede sein.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann innerhalb eines Monats Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.