Das von Bürgern der Stadt Sulz am Neckar initiierte Bürgerbegehren zu der Frage „Soll die Verpachtung kommunaler Waldflächen der Stadt Sulz am Neckar an Windanlagenbetreiber/-investoren unterbleiben?“ ist vorläufig als zulässig zu behandeln. Der vom Gemeinderat für den 08.12.2024 beschlossene Bürgerentscheid mit umgekehrter Fragestellung darf vorläufig nicht durchgeführt werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom heutigen Tag (10 K 4949/24) entschieden und damit den Initiatoren des Bürgerbegehrens im Rahmen eines Eilverfahrens Recht gegeben.
Der Gemeinderat der Stadt Sulz am Neckar beschloss am 03.06.2024 seine grundsätzliche Bereitschaft, bestimmte städtische Flächen für maximal neun Windkraftanlagen zu verpachten. Dagegen initiierten die hiesigen Antragsteller zusammen mit einem weiteren Bürger der Stadt Sulz am Neckar ein Bürgerbegehren nach § 21 Abs. 3 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO), das auf die Durchführung eines Bürgerentscheids zu der oben genannten Fragestellung gerichtet ist. Sie begründeten das Bürgerbegehren damit, dass der „potenzielle Bau von Windkraftanlagen im Wald (…) zu einer erheblichen Veränderung unserer kommunalen Waldgebiete, der ökologischen Lebensräume sowie unserer Naherholungsgebiete führen“ würde. In der Folge holte die Stadt bei zwei Anwaltskanzleien Rechtsgutachten ein, die das Bürgerbegehren als unzulässig bewerteten. Auf dieser Grundlage lehnte der Gemeinderat das Bürgerbegehren in seiner Sitzung am 30.09.2024 als unzulässig ab. Aus der Fragestellung gehe nicht eindeutig hervor, von wem eine Verpachtung unterbleiben solle und ob nur Waldflächen im unmittelbaren Eigentum der Stadt oder darüber hinaus auch solche Flächen gemeint seien, über welche diese mittelbar verfügen könne. Zugleich beschloss er, am 08.12.2024 einen Bürgerentscheid zum Thema Windkraft durchzuführen, allerdings mit umgekehrter Fragestellung („Sollen Waldflächen, welche im Eigentum der Stadt Sulz am Neckar sind, für die Nutzung durch Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden?“). Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben sich daraufhin mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht gewandt.
Das Gericht hat dem Eilantrag im Wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben: Das Bürgerbegehren sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zulässig. Insbesondere sei die vom Bürgerbegehren formulierte Fragestellung hinreichend bestimmt. Das Bürgerbegehren sei für alle erkennbar darauf gerichtet, dass die Stadt es unterlässt, in ihrem Eigentum stehende Waldflächen an Windkraftanlagenbetreiber zu verpachten. Auch die Begründung des Bürgerbegehrens entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Sie erfülle ihre Funktion, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Die darin geäußerte Einschätzung, dass das Vorhaben zu einer „erheblichen Veränderung“ der städtischen Waldgebiete, der ökologischen Lebensräume und Naherholungsgebiete führe, sei eine zulässige Wertung. Für die Abstimmungsberechtigten liege auf der Hand, dass diese Aussage nicht für sich in Anspruch nehme, eine fundierte rechtliche Bewertung im Hinblick auf die mit dem Bau von Windkraftanlagen einhergehenden Umweltbelastungen abzugeben. Eine Irreführung des Bürgers oder Verfälschung des Bürgerwillens sei damit nicht zu befürchten. Die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sowie die vorläufige Untersagung der Durchführung des für den 08.12.2024 geplanten Bürgerentscheids sei erforderlich. Käme es nach einem positiven Ausgang des vom Gemeinderat initiierten Bürgerentscheids zum Abschluss von Pachtverträgen, hätte sich das zulässige Bürgerbegehren der Antragsteller erledigt. In einer Situation wie der vorliegenden bestehe überdies ein „Abwehrrecht“ der Antragsteller gegen den vom Gemeinderat beschlossenen Bürgerentscheid, weil hierdurch eine Vereitelung oder jedenfalls wesentliche Entwertung der gesetzlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens drohe. Hierzu zähle insbesondere das Recht, in den Informationsmaterialien der Gemeinde zum Bürgerentscheid ihre Auffassung in gleichem Umfang darstellen zu dürfen wie die Gemeindeorgane. Diese Rechte bestünden nur bei einem Bürgerentscheid, der auf der Grundlage eines Bürgerbegehrens durchgeführt werde (vgl. § 21 Abs. 3 GemO). Von daher sei ein Bürgerentscheid in gleicher Sache, der auf der Grundlage eines Ratsbegehrens durchgeführt werde (vgl. § 21 Abs. 1 GemO), kein „gleichwertiger Ersatz“.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die unterlegene Stadt Sulz am Neckar kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.