Das Land Baden-Württemberg ist nicht verpflichtet, weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf die Gefahr einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus zu treffen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Freiburg in einem von einer Schülerin angestrengten Eilverfahren (Beschluss vom 14.09.2020 - 2 K 2971/20 -).
Die Schülerin hatte mit ihrem am 11. September 2020 beim Gericht gestellten und sowohl gegen den Träger der im Ortenaukreis gelegenen Schule als auch gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten Antrag erreichen wollen, dass alle Klassenzimmer dauerhaft belüftet werden, in allen Klassenzimmern lediglich mit einem Mindestabstand von 1,5 m und mit der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beschult sowie in allen Klassenzimmern eine Luftqualitätsüberwachung installiert wird. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:
Der Staat sei zwar verpflichtet, sich schützend und fördernd vor das Leben der Einzelnen zu stellen sowie vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit zu schützen. Diese Schutzpflicht sei aber nur verletzt, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen seien, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Vielmehr habe das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport mit der Verordnung über den Schulbetrieb unter Pandemiebedingungen (CoronaVO Schule) sowie den Hygiene-Hinweisen für die Schulen in Baden-Württemberg Schutzmaßnahmen getroffen.
Zwar gelte kein Abstandsgebot zu den Schülerinnen und Schülern und zwischen ihnen. Lehrkräfte, Eltern, Beschäftigte und andere Personen müssten aber untereinander einen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten. Zudem seien alle Räume, die dem Aufenthalt von Personen dienten, mehrmals täglich, Unterrichtsräume mindestens alle 45 Minuten, durch das Öffnen der Fenster zu lüften, es sei denn, dass der Luftaustausch über eine geeignete raumlufttechnische Anlage erfolge. Auch nach den Hygiene-Hinweisen sei eine Vielzahl von Schutzvorkehrungen vorgesehen, insbesondere Abstandsgebot (soweit nicht Schülerinnen und Schüler betroffen sind), konstante Gruppenzusammensetzungen, gründliche Händehygiene, Husten- und Niesetikette, Mund-Nasen-Bedeckung außerhalb des Klassenzimmers und Raumhygiene.
Diese Maßnahmen seien auch nicht völlig unzulänglich und blieben auch nicht erheblich hinter dem gebotenen Schutzziel zurück. Es werde nicht verkannt, dass mit Leben und körperlicher Unversehrtheit überragend wichtige Rechtsgüter in Rede stünden. Allerdings könne sich die öffentliche Gewalt nicht darauf beschränken, einen möglichst effektiven Infektionsschutz für Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Vielmehr müsse sie gleichzeitig dem Bildungsauftrag des Staates und dem Bildungsanspruch jedes einzelnen Kindes hinreichend Rechnung tragen. Im Rahmen einer Abwägung sei die Erfüllung der Schutzpflichten mit dem verfassungsrechtlichen Bildungsauftrag in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Ausgehend hiervon sei der Gestaltungsspielraum des Landes Baden-Württemberg nicht in einer Weise beschränkt, dass die Antragstellerin weitergehende Schutzmaßnahmen, etwa einen Mindestabstand zu und zwischen den Schülerinnen und Schülern verlangen könne. Die Durchsetzung des Bildungsauftrags sowie des Rechts auf Bildung könne nur dann effektiv erfolgen, wenn der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen unter Berücksichtigung des Lehrplans als Präsenzunterricht erfolge. Der Präsenzunterricht in voller Klassenstärke könne angesichts Lehrermangels und sächlicher Zwänge wie räumlich bedingter Kapazitätsgrenzen nur unter Verzicht auf den Mindestabstand erfolgen.
Aus der Schutzpflicht des Staates folge auch keine Verpflichtung, in den Klassenzimmern der Schule zusätzlich eine Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anzuordnen. Nach den Hygiene-Hinweisen sei zwar im Unterricht das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht erforderlich, gleichwohl aber zulässig. Für Schülerinnen und Schüler sei ab Klasse 5 das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf dem gesamten Schulgelände außerhalb des Klassenzimmers verpflichtend. Unabhängig davon bleibe es der Antragstellerin unbenommen, in den Klassenzimmern zu ihrem Eigenschutz einen Mund-Nasen-Schutz oder eine FFP2/FFP3-Maske zu tragen.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Antragstellerin kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden‑Württemberg in Mannheim einlegen.