Gibt ein Anwärter im Polizeidienst vor seiner Ernennung zum Beamten bewusst wahrheitswidrig ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab, ist die Ernennung wegen arglistiger Täuschung zurückzunehmen. Je nach Lage des Falls kann insoweit auch die Verpflichtung zur Rückzahlung geleisteter Bezüge bestehen. Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 13. März 2023 entschieden (Az. 3 K 2900/22).
Der Kläger wurde im März 2020 zum Polizeimeisteranwärter ernannt. Im Bewerbungsverfahren sowie erneut bei seiner Ernennung bekannte er sich mit schriftlichen Erklärungen vom 15. September 2019 und 2. März 2020 zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes. Im Juli 2021 wurde dem Innenministerium Baden-Württemberg durch eine staatsanwaltschaftliche Mitteilung bekannt, dass bei dem Polizeimeisteranwärter im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens wegen Besitz und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Schriften im Februar 2020 zwei Mobiltelefone beschlagnahmt worden waren. Auf diesen wurden zahlreiche Bilder und Videos mit mutmaßlich kinder- und jugendpornografischem Inhalt, Gewaltdarstellungen und Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen aufgefunden. Außerdem wurde festgestellt, dass der Polizeimeisteranwärter jedenfalls in den Jahren 2019 und 2020 Mitglied der Chatgruppe „Grillen gg. Überfremdung“ war, sich dort aktiv beteiligte und - teils in der Chatgruppe, teils in einem privaten Chat mit einem Bekannten - Sticker, Bilder und Nachrichten rassistischen, antisemitischen, homophoben, frauenverachtenden und fremdenfeindlichen Inhalts versandte.
Kurz nach Bekanntwerden der Chatinhalte wurde dem Polizeimeisteranwärter die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Wenige Wochen später nahm die Polizeihochschule die Ernennung zum Polizeimeisteranwärter zurück und stellte fest, dass die ab der Einstellung bis zum Ausscheiden aus dem Dienst gezahlten Anwärterbezüge zurückzuzahlen seien.
Die hiergegen im Oktober 2022 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg abgewiesen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, nach dem Beamtenstatusgesetz sei die Ernennung eines Beamten mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt worden sei. Der Polizeimeisteranwärter habe im Vorfeld seiner Ernennung arglistig über sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit über das Vorliegen der Einstellungsvoraussetzungen getäuscht. Chatprotokolle dokumentierten die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda sowie zahlreiche - näher ausgeführte - rassistische, antisemitische, homophobe, frauenverachtende und ausländerfeindliche Äußerungen. Zwar lasse nicht jede rassistische, antisemitische, homophobe, frauenverachtende und ausländerfeindliche Äußerung ohne weiteres den Schluss auf eine fehlende Verfassungstreue zu. Die Vielzahl und die Extremität der Äußerungen des Klägers zeigten jedoch, dass es nicht nur an einem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung fehle, sondern er diese sogar ablehne. Gleichwohl habe er im Bewerbungsverfahren sowie bei der Ernennung eine entgegenstehende Erklärung abgegeben.
Auch die Feststellung, dass der Polizeimeisteranwärter die ab der Einstellung bis zum Ausscheiden aus dem Dienst gezahlten Anwärterbezüge zurückzahlen muss, hatte vor dem Verwaltungsgericht Bestand. Das Gericht führte aus, diese Ermessensentscheidung der Polizeihochschule sei nicht zu beanstanden. Da der Kläger ganz am Anfang seiner praktischen Ausbildung gestanden habe, habe die Polizeihochschule davon ausgehen dürfen, dass er noch keine verwertbare Arbeitsleistung erbracht habe. Es könne daher offen bleiben, ob die Dienstleistung eines Polizeibeamten grundsätzlich als „wertlos“ anzusehen sei, wenn in Folge der fehlenden Verfassungstreue eine elementare Voraussetzung für die Tätigkeit fehle.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beantragen.