Eine für kommenden Sonntag, den 17. Juli 2022, von der Bewegung „Students for Future Freiburg“ als Fahrradaufzug angemeldete Versammlung darf nicht auf einem Abschnitt der Autobahn A 5 abgehalten werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom heutigen Vormittag entschieden und damit eine von der Versammlungsbehörde abgeänderte Aufzugsstrecke bestätigt (Az. 4 K 1863/22).
Die Bewegung „Students for Future Freiburg“ hatte bereits im Juni bei der Stadt Freiburg eine Versammlung unter dem Titel „Demonstration für ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen, ein deutschlandweites Straßenbaumoratorium sowie eine sofortige Rücknahme des klimaschädlichen Tankrabatts, Ersetzung durch günstigen und attraktiven Öffentlichen Schienen- und Nahverkehr“ angemeldet und mitgeteilt, dass sie einen Fahrradaufzug mit geschätzten 1.000 Personen plane. Die von ihr angemeldete Aufzugsstrecke sollte vom Platz der Alten Synagoge über die B 31 zur A 5 (Auffahrt „Freiburg Mitte“ bis Abfahrt „Freiburg Nord“) und von dort – nach einer Zwischenkundgebung auf der Autobahn – über die B 294 zurück in die Freiburger Innenstadt führen. Am 11. Juli 2022 erließ die Stadt Freiburg als zuständige Versammlungsbehörde einen sog. Auflagenbescheid und gab darin eine andere Aufzugsstrecke vor, welche insbesondere die A 5 und die B 294 ausspart. Des Weiteren gab sie den Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern auf, die Strecke im geschlossenen Verband zu befahren. Die einzelnen Fahrräder müssten dabei „zueinander einen so geringen Abstand einhalten, dass sie den erforderlichen Sicherheitsabstand gerade erreichen oder nur geringfügig überschreiten“. Für einen ca. 400 Meter langen Abschnitt der geänderten Aufzugsstrecke, die nun östlich der A 5 verläuft und dort im Bereich Bebel- bzw. Seestraße eine Autobahnunterführung passiert, untersagte die Stadt außerdem den Betrieb von Lautsprecheranlagen.
Am 12. Juli 2022 hat die Anmelderin der Versammlung gegen diese Auflagen beim Verwaltungsgericht Freiburg einen Eilantrag gestellt, der teilweise Erfolg hatte.
Die in erster Linie beanstandete Auflage zur geänderten Streckenführung hat das Gericht bestätigt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Wegen der besonderen Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit für die Funktionsfähigkeit der Demokratie dürfe ihre Ausübung nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begrenzt werden. Dies gelte im Grundsatz auch für Demonstrationszüge auf Bundesfernstraßen, d.h. Autobahnen und Bundesstraßen. Selbst die spezifische Widmung der Autobahnen für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen nach dem Bundesfernstraßengesetz schließe deren Nutzung für Versammlungszwecke nicht generell aus. Ob eine Bundesfernstraße für eine Versammlung genutzt werden könne, sei daher stets eine Frage des Einzelfalls. Bei der konkreten Abwägung komme es vor allem darauf an, ob ein unmittelbarer Bezug zwischen dem Anliegen, eine Versammlung auf einer Bundesfernstraße abzuhalten, und dem Thema der Versammlung bestehe. Fehle es daran, überwiege regelmäßig das Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Abwägungserheblich sei außerdem, welche Gefahren und Beeinträchtigungen durch die beabsichtigte Nutzung einer Autobahn oder einer Bundesstraße für andere Verkehrsteilnehmer und die Versammlungsteilnehmer selbst voraussichtlich entstehen, wie lange diese andauern, welche Bedeutung dem betroffenen Streckenabschnitt zukommt, mit welchem Verkehrsaufkommen im Zeitpunkt der Versammlung zu rechnen ist und inwieweit zumutbare und praktikable Umleitungsmöglichkeiten bestehen.
Vor diesem Hintergrund hielt es das Gericht zwar grundsätzlich für denkbar, dass eine Demonstration für ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen und ein deutschlandweites Straßenbaumoratorium auf einer Bundesfernstraße stattfindet, da ein gewisser Zusammenhang zwischen diesem Versammlungsthema und dem gewählten Versammlungsort nicht in Abrede zu stellen sei. Die am gewählten Versammlungstag zu erwartenden Auswirkungen einer durch die Fahrraddemo bedingten zeitweisen Vollsperrung der A 5 und der B 294 erachtete es aufgrund der konkreten Umstände aber für nicht mehr hinnehmbar. Das Gericht nannte dabei insbesondere ein in unmittelbarer Nähe stattfindendes Musikfestival mit ca. 20.000 Besuchern, deren regulärer An- und Abreiseweg über die A 5 oder die B 294 führen dürfte. Bei einer Durchführung der Versammlung auf diesen Straßen wäre die Erreichbarkeit des Festivalgeländes durch Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste aller Voraussicht nach erheblich erschwert. Hinzu komme, dass die nächstgelegene Anschlussstelle 60 in nördlicher Richtung am Versammlungstag wegen Bauarbeiten gesperrt sei, so dass der Autobahnverkehr weiträumig umgeleitet werden müsste.
Auch die weitere Auflage, die Aufzugsstrecke im geschlossenen Verband zu befahren, sah das Gericht als voraussichtlich rechtmäßig an. Hingegen hielt es die Vorgabe zum zwischen den einzelnen Radfahrenden einzuhaltenden Abstand für rechtswidrig. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es zur Abwehr von Gefahren für die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer erforderlich sein sollte, dass diese während des Aufzugs den erforderlichen Sicherheitsabstand „gerade erreichen oder nur geringfügig überschreiten“. Eher sei eine solche Vorgabe mit erheblichen Gefahren für die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer verbunden.
Das für einen Teil der Wegstrecke angeordnete Lautsprecherverbot nahe einer Autobahnunterführung stufte das Gericht ebenfalls als voraussichtlich rechtswidrig ein. Ein allgemeines Verbot von aufmerksamkeitserregenden Verhaltensweisen auf einer Versammlung bestehe weder auf noch an Bundesfernstraßen. Die Versammlungsbehörde habe keine besonderen Umstände genannt, die dazu führten, dass das verfassungsrechtlich geschützte Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der durchgehenden Nutzung von Lautsprecheranlagen zurückzustehen habe. Dies gelte vor allem unter Berücksichtigung des in nur einem Kilometer Entfernung stattfindenden Musikfestivals, von dem deutlich größere Schallimmissionen auf die Autobahn wirken dürften als durch die Versammlung. Der Schutz der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor besonders ablenkenden Geräuschen (z.B. Knalleffekte) sei auch durch mildere Auflagen erreichbar.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.