Der auf 23:00 Uhr vorgezogene Sperrzeitbeginn für Gaststätten in einer Allgemeinverfügung des Landratsamts Lörrach ist aller Voraussicht nach rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 entschieden (8 K 3389/20).
In seiner Allgemeinverfügung vom 23. Oktober 2020 zur Eindämmung und Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 hat das Landratsamt Lörrach unter anderem eine Sperrzeit für Gastronomiebetriebe von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr angeordnet, während der auch die Abgabe von Alkohol nach außen verboten ist. Gleichzeitig verfügte es ein Alkoholausschank- und -konsumverbot für Sportveranstaltungen sowie eine Maskenpflicht für Märkte, Messen, Ausstellungen und andere öffentliche Veranstaltungen.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat dem gegen die Sperrzeitausweitung gerichteten Eilantrag eines Gaststättenbetreibers aus dem Landkreis Lörrach stattgegeben. Nach der gerichtlichen Anordnung muss sich dieser Gastwirt vorerst nicht mehr an die in der Allgemeinverfügung ausgeweiteten Sperrzeiten halten, die für alle anderen Gaststätten im Landkreis hingegen noch fortbestehen.
Nach Auffassung des Gerichts bestünden – nach der im Eilverfahren vorzunehmenden überschlägigen Prüfung – zwar keine durchgreifenden Zweifel daran, dass Sperrzeiten für die Gastronomie bei dem derzeitigen Infektionsgeschehen grundsätzlich ausgeweitet werden könnten. Im Einklang hiermit seien zwei Eilanträge gegen eine entsprechende Allgemeinverfügung des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald in dieser Woche ohne Erfolg geblieben (Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. Oktober 2020). Anders als in der Allgemeinverfügung des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald lasse die Begründung der Allgemeinverfügung des Landratsamts Lörrach allerdings darauf schließen, dass sie fehlerhaft zustande gekommen sei.
Das Infektionsschutzgesetz erlaube den zuständigen Behörden, nach ihrem Ermessen die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu treffen. Bei der Ausübung dieses Ermessens hätten die Behörden insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Eine verlängerte Sperrzeit könne dabei durchaus verhältnismäßig sein. Sie diene dem legitimen Zweck, die Covid-19-Pandemie einzudämmen und sei hierzu geeignet.
Allerdings fehlten in der Allgemeinverfügung des Landratsamts Lörrach Ausführungen zur Erforderlichkeit der Ausweitung der Sperrzeiten. Das Landratsamt habe sich nicht damit befasst, ob die Sperrzeitverlängerung in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung der Berufsfreiheit der Wirte stehe, die während der Sperrzeit ihren Beruf nicht ausüben dürften und vollständige Umsatzeinbußen hätten. Die Begründung beziehe sich im Wesentlichen allgemein auf alle in der Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen. Die Sperrzeit sowie das Außenabgabeverbot für Alkohol finde nur am Rande an einer einzigen Stelle Erwähnung. Mit der Berufsfreiheit einer Vielzahl von Gastronomiebetrieben habe das Landratsamt einen wesentlichen Gesichtspunkt übersehen, den es in seiner Abwägung hätte berücksichtigen müssen. Das Gericht wies jedoch bereits darauf hin, dass durchaus erneut eine Sperrzeitverlängerung angeordnet werden könnte, wenn die gebotenen Ermessenserwägungen nachgeholt würden.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Das durch das Landratsamt Lörrach vertretene Land Baden-Württemberg kann binnen zwei Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.