Der Einsatz einer polizeilichen Drohne bei der „Friday for Future“-Versammlung in Freiburg am 20.09.2019 zur Steuerung und Lenkung der Versammlung verstieß gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Dies entschied das Verwaltungsgericht Freiburg mit dem den Beteiligten nun zugestellten Urteil vom 29.07.2021 (10 K 4722/19).
Bei der Kundgebung am Vormittag des 20.09.2019 nahmen ca. 20.000 bis 30.000 Personen teil, die sich zunächst auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg versammelten und dann in einem Aufzug durch die Freiburger Innenstadt zogen. Das Polizeipräsidium Freiburg setzte mit kurzen Unterbrechungen zwischen 10:09 Uhr und 10:28 Uhr sowie von 11:02 Uhr bis 13:30 Uhr eine Drohne ein, die über die Versammlung flog und in Echtzeit Bildaufnahmen in das Lagezentrum übertrug. Eine Speicherung der Aufnahmen erfolgte nicht. Der Kläger, der an der Versammlung teilgenommen, den Einsatz der Drohne gesehen und auf spätere Nachfrage beim Polizeipräsidium erfahren hatte, dass es sich um eine polizeiliche Drohne gehandelt hat, erhob im Dezember 2019 Klage mit dem Ziel, gerichtlich die Rechtswidrigkeit des Drohneneinsatzes feststellen zu lassen. Dieser Klage gab das Verwaltungsgericht Freiburg im Wesentlichen mit folgender Begründung statt:
Die Beobachtung einer Versammlung unter freiem Himmel in der Gestalt von Übersichtsaufnahmen in Echtzeit nach dem Kamera-Monitor-Prinzip unter Einsatz einer polizeilichen Drohne stelle einen Eingriff in die (innere) Versammlungsfreiheit der Versammlungsteilnehmer dar. Dies folge daraus, dass aufgrund der Digitalisierung die Möglichkeit der Identifikation einzelner Versammlungsteilnehmer gegeben sei. Unerheblich sei, dass das Polizeipräsidium eine solche Identifikation nicht bezweckt und die Aufnahmen nicht aufgezeichnet habe. Die Drohne sei aufgrund ihrer geringen Größe und der Einsatzhöhe von ca. 50 m kaum wahrnehmbar und nicht ohne Weiteres als polizeiliche Drohne erkennbar gewesen. Der Drohneneinsatz sei daher als faktisch verdeckte Maßnahme zu qualifizieren, die als solche in die Versammlungsfreiheit eingegriffen habe. Denn wer grundsätzlich damit rechnen müsse, dass seine Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert werde und ihm dadurch Nachteile entstehen könnten, werde in seinen individuellen Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt, wenn er deshalb möglicherweise auf die Ausübung der Versammlungsfreiheit verzichten könnte.
Der von dem Drohneneinsatz ausgehende Eingriff in die Versammlungsfreiheit sei nicht durch eine gesetzliche Vorschrift gedeckt gewesen. Zwar könnten nach den §§ 12a und 19a des Versammlungsgesetzes (VersammlG) Bildaufnahmen angefertigt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewendet werden sollten. Der Einsatz der Drohne zur Überwachung der friedlichen und störungsfrei verlaufenen Versammlung am 20.09.2019 sei aber ausschließlich zu deren Steuerung und Lenkung erfolgt. Es habe sich nur um eine Vorsorgemaßnahme gehandelt, ohne dass sich eine erhebliche Gefahr bereits konkretisiert hätte.
Das Gericht bezweifle zwar grundsätzlich nicht die Sinnhaftigkeit des Einsatzes polizeilicher Drohnen zur Lenkung und Steuerung von Versammlungen zum Schutz von Versammlungsteilnehmern sowie Dritter unterhalb der Gefahrenschwelle der §§ 12a, 19a VersammlG. Es fehle aber hierfür gegenwärtig an einer tauglichen (landes-)versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Auf Vorschriften im Polizeigesetz des Landes habe der Drohneneinsatz nicht gestützt werden dürfen, da sich die Videoüberwachung von Versammlungen nach den spezielleren Regelungen im Versammlungsgesetz richte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Polizeipräsidium Freiburg, kann innerhalb von einem Monat Berufung einlegen. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.