Die Stadt Freiburg durfte zum Wohl der Allgemeinheit in Kaufverträge über in St. Georgen und Tiengen belegene, derzeit noch unbebaute Grundstücke eintreten, um auf diesen Flächen vor allem einen hohen Anteil bezahlbaren und barrierefreien Wohnraums zu schaffen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Freiburg mit zwei Urteilen vom 14.07.2022, die den Beteiligten inzwischen zugestellt worden sind.
Das erste Verfahren (4 K 2423/21) betraf drei Baugrundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 4.520 m2 im Plangebiet „Hinter den Gärten“ in der eingemeindeten Ortschaft Tiengen. Für dieses Gebiet hatte der Gemeinderat der Stadt Freiburg bereits im November 2017 die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Im Juli 2020 verkauften mehrere Eigentümer ihre Grundstücke im Plangebiet an eine Bauträgerin. Wenig später entschied der Haushalts- und Finanzausschuss des Gemeinderats, durch die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts in die Kaufverträge einzutreten. Dagegen hat die Käuferin der Grundstücke im August 2021 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Inzwischen liegt ein Bebauungsplanentwurf vor.
Das zweite Verfahren (4 K 284/22) betraf vier Baugrundstücke mit einer Gesamtfläche von 1.985 m2 im Plangebiet „Ruhbankweg-Ost“ im Freiburger Stadtteil St. Georgen. Für dieses Gebiet wurde die Aufstellung eines Bebauungsplans bislang noch nicht beschlossen. Nachdem die Eigentümer der betroffenen Grundstücke diese an eine Investorin verkauft hatten, entschied sich der Gemeinderat im Oktober 2021 abermals für die Ausübung eines Vorkaufsrechts. Dagegen hat die betroffene Käuferin im Januar 2022 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Das Gericht hat die Klagen mit der Begründung abgewiesen, das Vorgehen der Stadt sei rechtmäßig gewesen. Sie habe ein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB (Baugesetzbuch); dessen Ausübung sei durch Allgemeinwohlbelange gerechtfertigt gewesen. Denn die Stadt verfolge mit dem Erwerb der Grundstücke die legitimen Ziele, in den Gebieten schnell Wohnbauland und einen hohen Anteil sozial geförderter und barrierefreier Wohnungen zu schaffen. Es reiche aus, dass für die mit dem Grundstückserwerb verfolgten städtebaulichen und wohnungspolitischen Ziele eine hinreichende Realisierungschance bestehe. Dies sei in beiden Gebieten der Fall.
Im Plangebiet „Hinter den Gärten“ sei u.a. die inzwischen erfolgte Offenlage eines Bebauungsplanentwurfs ein Beleg dafür, dass die Stadt bereits bei der Ausübung des Vorkaufsrechts die konkrete Absicht gehabt habe, zeitnah die für die Entwicklung von Wohnbauland erforderlichen Schritte zu unternehmen. Gleiches gelte für das Gebiet „Ruhbankweg-Ost“, auch wenn sich das Bebauungsplanverfahren dort noch in einem frühen Stadium befinde und sich einige Grundstückseigentümer bislang weigerten, an der Baulandentwicklung mitzuwirken. Dass die Stadt die Durchführung des Bebauungsplanverfahrens nach ihren „Baulandpolitischen Grundsätzen“ von der Mitwirkungsbereitschaft der Grundstückseigentümer abhängig mache, lasse die erforderliche konkrete Planungsabsicht nicht entfallen. Schließlich habe sie angekündigt, erneut das Gespräch mit den Eigentümern zu suchen, und bereits ein Verkehrsgutachten fertigen lassen, das die verkehrliche Erschließung des Gebiets untersuche. Unmittelbar nach der Vorkaufsrechtsausübung habe die Stadt zudem einen Bebauungsplanvorentwurf in Auftrag gegeben und damit einen weiteren Planungsschritt in Angriff genommen. Laut einem Beschluss des Haushalts- und Finanzausschusses des Gemeinderats vom 03.09.2021 sei beabsichtigt, innerhalb der nächsten fünf bis acht Jahre einen Bebauungsplan für das Gebiet „Ruhbankweg-Ost“ aufzustellen. Im Übrigen habe es die Stadt in der Hand, zugunsten schneller Baurechte von ihren „Baulandpolitischen Grundsätzen“ abzuweichen und einen Bebauungsplan ohne vorherigen Abschluss städtebaulicher Verträge mit den Eigentümer aufzustellen.
Die erklärte Bereitschaft der klagenden Käuferinnen, auf den erworbenen Flächen selbst baldmöglichst Wohnungen zu errichten, schließe die Ausübung eines Vorkaufsrechts nicht aus. Denn durch eine bloße Absichtserklärung, eine allgemein darauf ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit oder auch ein entsprechendes früheres Verhalten sei die Verwirklichung der Ziele der Stadt nicht in gleicher Weise abgesichert wie bei einem Erwerb der Grundstücke durch sie. Dies gelte insbesondere für die von ihr angestrebte hohe Quote geförderten Wohnraums.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Klägerinnen können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim stellen. Im Verfahren „Ruhbankweg-Ost“ (4 K 284/22) ist ein solcher Antrag bereits eingegangen.