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Untersagung von Corona-„Spaziergängen“ in Schopfheim hat Bestand

Datum: 28.01.2022

Kurzbeschreibung: PM 28.01.2022

Untersagung von Corona-„Spaziergängen“ in Schopfheim hat Bestand 

Auch in der Stadt Schopfheim bleiben nicht angemeldete „Montagsspaziergänge“ und vergleichbare Zusammenkünfte, zu denen als Protestaktionen gegen Corona-Maßnahmen allgemein aufgerufen wird, verboten. Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 27. Januar 2022 (Az. 8 K 165/22), der den Beteiligten am heutigen Tag zugestellt wurde, entschieden. Das Gericht hat damit die Allgemeinverfügung des Landratsamts Lörrach vom 14.01.2022 bestätigt.

Mit der genannten Allgemeinverfügung hat das Landratsamt Lörrach als zuständige Kreispolizeibehörde alle mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“, „Spaziergängen“ oder Ähnlichem in Zusammenhang stehenden, nicht angemeldeten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen auf der Gemarkung der Stadt Schopfheim unabhängig vom Wochentag und unabhängig davon, ob einmalig oder wiederkehrend stattfindend, untersagt, die sofortige Vollziehung dieser Verbote angeordnet, bei Zuwiderhandlung unmittelbaren Zwang angedroht und die Verfügung schließlich bis zum Ablauf des 28.02.2022 befristet. Hiergegen setzte sich ein in einer Nachbargemeinde Schopfheims lebender Bürger zur Wehr, der angab, dort in der Vergangenheit an „Montagsspaziergängen“ teilgenommen zu haben und dies auch in Zukunft tun zu wollen. Seinen Eilantrag vom 21.01.2022 lehnte das Gericht im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:

Von der Allgemeinverfügung erfasst und damit verboten seien allein unangemeldete, obwohl zuvor geplante „Montagsspaziergänge“ und vergleichbare Zusammenkünfte, bei denen insbesondere die geltenden Abstandsregelungen bzw. die Maskenpflicht bei Unterschreitung des Mindestabstands nicht beachtet würden. Weiterhin zulässig seien ordnungsgemäß angemeldete und spontane Protestaktionen gegen Corona-Maßnahmen, wenn diese unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (Abstandsgebot, Maskenpflicht) und gegebenenfalls ergangener behördlicher Auflagen stattfänden. Das so verstandene Verbot sei voraussichtlich rechtmäßig.

Da die Versammlungsfreiheit für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und für die demokratische Ordnung grundlegende Bedeutung habe, und Verbot und Auflösung einer Versammlung die intensivsten Eingriffe in das Grundrecht darstellten, seien diese Maßnahmen an strenge Voraussetzungen gebunden. Ein präventives Versammlungsverbot sei nur als letztes Mittel zu erwägen. Allein auf die Unterlassung der gesetzlich vorgesehenen Anmeldepflicht könne ein präventives Versammlungsverbot daher nicht gestützt werden; das habe das Landratsamt allerdings auch nicht getan. Vielmehr beruhe es auf der zutreffenden Annahme, dass die untersagten „Spaziergänge“ die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdeten.

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Corona-Verordnung des Landes bestehe auch im Freien eine Maskenpflicht für den Fall, dass ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht zuverlässig eingehalten werden könne. Bei „Montagsspaziergängen“ in Schopfheim am 27.12.2021, 03.01.2022 und 10.01.2022 mit Teilnehmerzahlen zwischen 200 und 1.200 Personen sei die Maskenpflicht trotz Aufforderung durch Einsatzkräfte der Polizei per Lautsprecher nicht oder jedenfalls ganz überwiegend nicht eingehalten worden. Auch bei den nach Erlass des Verbots stattgefundenen „Montagsspaziergängen“ am 17.01.2022 und 24.01.2022, an denen immerhin noch bis zu 300 Personen teilnahmen, seien Mindestabstand und Maskenpflicht trotz ausdrücklicher Aufforderungen durch die Polizei nicht beachtet worden. Diese Zuwiderhandlungen gäben hinreichenden Anlass zu der Prognose, dass ohne das Verbot auch künftig Corona-„Spaziergänge“ in Schopfheim stattfänden, bei denen die gesetzlichen Schutzmaßnahmen nicht eingehalten würden und bei denen es daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verstößen gegen die Rechtsordnung käme.

Das verfügte Versammlungsverbot diene dem individuellen Gesundheitsschutz und dem Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung und greife voraussichtlich nicht unverhältnismäßig in die Versammlungsfreiheit ein. Ein milderes und gleich wirksames Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels des Gesundheitsschutzes sei nicht ersichtlich. Der Einwand des Eilantragstellers, anstelle eines Verbots der Versammlung, genüge die präventive Anordnung einer Abstands- und Maskenpflicht zur Vermeidung von Infektionsgefahren bei den „Spaziergängen“, treffe nicht zu. Denn eine entsprechende Anordnung würde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehrheitlich beachtet werden. Auch ein polizeiliches Eingreifen im Einzelfall sei nicht annähernd so erfolgsversprechend wie ein präventives Versammlungsverbot. Dies zeige das dokumentierte widersetzliche Verhalten der „Montagsspaziergänger“ in Schopfheim gegen mündlich erlassene Auflagen der anwesenden Einsatzkräfte.

Dem Argument des Eilantragstellers, dass die mit den im Freien stattfindenden „Spaziergängen“ einhergehenden Infektionsgefahren allenfalls gering seien, trat das Gericht entgegen. Zwar sei das Übertragungsrisiko im Freien grundsätzlich geringer als in Innenräumen. Bei Versammlungen unter freiem Himmel ohne Beachtung der Abstands- und Maskenpflicht komme allerdings nicht nur eine Infektion durch Aerosole, sondern auch durch Tröpfchen zum Tragen. Außerdem könne jeder Teilnehmer an einem „Montagsspaziergang“ unerkannt infektiös sein und deshalb jeder Verstoß gegen die Abstands- und Maskenpflicht zu einer Kette von weiteren Ansteckungen führen. Angesichts des Umstands, dass die sich derzeit rasant verbreitende Omikron-Variante deutlich ansteckender als frühere Varianten sei, liege es zudem nahe, dass nunmehr auch Infektionen im Freien häufiger vorkämen als bei bislang dominierenden Varianten. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass bei sehr hohen Ansteckungszahlen personelle Ausfälle in großer Zahl in Krankenhäusern zu befürchten seien, worunter die Versorgung aller Patienten leiden könnte.

Auch die Dauer des Versammlungsverbots bis zum 28.02.2022 sei voraussichtlich gerechtfertigt. Derzeit sei nicht ersichtlich, dass sich die Infektionslage bis Ende Februar massiv verbessern werde mit der Folge, dass Hygiene- und Abstandsregeln bei größeren Menschenansammlungen nicht mehr erforderlich wären.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Der Antragsteller kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.

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